Podiumsdiskussion: Das Zölibat in Turanien

  • Eifrige Helfer bereiten den großen Tagungsraum im Erdgeschoss der Volkshochschule für die morgige Podiumsdiskussion vor. Das Thema lässt auf zahlreiche Zuhörer hoffen.

    Sigurd Thorwald
    Generaladministrator

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    "Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht."

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    Francis Bacon

  • Der Patriarch-Erzbischof von Königsberg, der für den eröffnenden Vortrag vorgesehen ist, trifft in der Volkshochschule ein und begrüßt die bereits Anwesenden. Dann geht er auf Pfarrer Würzinger zu.


    Grüß Gott, verehrter Pfarrer Würzinger! Ich freue mich auf unsere Diskussion.

    Johannes Anasthasius Kardinal Hartung :bischof:
    Patriarch von Königsberg
    Primas von Turanien

  • Nein... äh... nicht, dass ich wüsste. Ich erhielt meine Einladung von der Leitung der hiesigen VHS.

    Johannes Anasthasius Kardinal Hartung :bischof:
    Patriarch von Königsberg
    Primas von Turanien

  • Nimmt das für ihn bestimmte Mikrofon zur Hand und beginnt mit seinem Eröffnungsvortrag.


    Meine sehr geehrten Damen und Herren,
    ich freue mich sehr, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Dies zeigt, dass das Thema Zölibat Sie bewegt. Das ist gut – unabhängig davon, was Sie nun vom Zölibat halten, unabhängig davon, ob Sie mit mir oder mit Herrn Pfarrer Würzinger einer Meinung sein. Bevor wir in unsere Diskussion einsteigen, darf ich Ihnen in aller gebotenen Kürze Ursprung und Entwicklung des Zölibats in der turanisch-katholischen Kirche nahebringen. Selbstverständlich haben Sie jederzeit die Möglichkeit, Fragen zu stellen.
    Beginnen möchte ich mit dem Begriff an sich: Zölibat, in unserem Lande gemeinhin mit sächlichem Artikel bezeichnet – also "das Zölibat" –, international und fachsprachlich auch "der Zölibat". Das Wort stammt aus der Kirchensprache und bedeutet so viel wie "unverheiratet". Eine manchmal behauptete Verwandtschaft zum kirchensprachlichen Wort "coelis", also "Himmel", ist wissenschaftlich nicht haltbar, lässt sich aber auf eine Aussage Jesu Christi im Matthäus-Evangelium zurückführen: "Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht – um des Himmelreiches willen." Für manche Theologen ist diese Aussage Grund genug, das Zölibat als von Gott gewollt darzustellen. Das ist aber nur eine Minderheitenmeinung.
    Um zu verstehen, weshalb die priesterliche Ehelosigkeit dennoch Teil des turanischen Kirchenrechts geworden ist, müssen wir ins frühe Mittelalter zurückgehen, in die Zeit, als das Christentum zum ersten Mal in Turanien Fuß fassen konnte. Die Missionare, die den Glauben auf unsere Halbinsel brachten, waren keine klassischen Priester oder gar "Zivilisten". Nein, es waren Mönche – und die waren ihrer Ordensregel gemäß zum Zölibat verpflichtet. Im valsantinischen Katholizismus entwickelte sich das Pflichtzölibat erst im Laufe des Mittelalters. Priestern war die Ehelosigkeit zunächst nicht vorgeschrieben. Anders in Turanien: Da es hierzulande nur Ordenspriester gab, galt das Pflichtzölibat eben für alle Priester.
    Aus einzelnen Klöstern entwickelten sich im Laufe des frühen Mittelalters die Bistümer, wie wir sie heute kennen: territoriale Verwaltungseinheiten der Kirche. Die Priester, die dem jeweiligen Bistum angehörten, bildeten eine ordensähnliche Gemeinschaft. Auch für sie galt damit die mönchische Ehelosigkeit. Erst recht galt und gilt sie für Bischöfe, denn Bischöfe werden aus den Reihen der Bistumspriester – seltener auch aus den Reihen der Ordenspriester – gewählt.
    Parallel zur Entstehung der Bistümer setzte aber eine andere, eine gegenläufige Entwicklung ein: Da das Christentum – vor allem im Reich von Turan – quasi von Staats wegen gefördert und verbreitet wurde, kamen die Klöster und Bistümer bald an ihre Kapazitätsgrenzen. Fast jeder Ort sollte ja seinen eigenen "Pfarrer" erhalten. Das war allein mit unverheirateten Priestern nicht zu machen. Also entwickelten die Kirchenführer das Konzept von "Hilfspriestern". Das waren zumeist ortsansässige ältere Männer mit Familie – sogenannte "viri probati", also "bewährte Männer" –, die man in einer Art Schnellkurs ausbildete und anschließend weihte. Aus ihnen entwickelte sich der heutige Stand der Säkularpriester, für den nach wie vor kein Pflichtzölibat besteht. Eine Eheschließung nach der Priesterweihe war und ist allerdings auch für sie verboten.
    Heute gehören der turanisch-katholischen Kirche rund 18.000 Priester an. 13.000 davon sind Säkularpriester – also die große Mehrheit. 2000 sind Kapitularpriester der Bistümer, 3000 gehören klösterlichen Orden an. Von den Säkularpriestern sind meines Wissens knapp 1000 verheiratet. Die geringe Zahl ist darauf zurückzuführen, dass nach der vollständigen Christianisierung Turaniens fast nur noch junge unverheiratete Männer zu Priestern geweiht wurden.

    Johannes Anasthasius Kardinal Hartung :bischof:
    Patriarch von Königsberg
    Primas von Turanien

  • Lächelt dem Pfarrer zu und deutet an, er möge noch einen Moment warten.


    Gibt es Fragen Ihrerseits, werte Damen und Herren? Zögern Sie nicht...

    Johannes Anasthasius Kardinal Hartung :bischof:
    Patriarch von Königsberg
    Primas von Turanien

  • Beim erneuten Hinsehen sind es ganz normale fünf Finger. Es war wohl nur eine optische Täuschung, ein Computertrick oder doch gar die Hand Gottes?


    Warum die moderne Kirche am Zölibat festhält. Aus Tradition?

  • Die Kirche, junger Mann, hält das Zölibat für die geeignetste Lebensform des Priesters. Der Priester hat so die Möglichkeit, sich voll und ganz dem Dienst als Seelsorger hinzugeben. Für uns ist das Priestertum ja nicht bloß ein Beruf, den man acht Stunden am Tag ausübt, sondern ein echter Vollzeit-Job.

    Johannes Anasthasius Kardinal Hartung :bischof:
    Patriarch von Königsberg
    Primas von Turanien

  • Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen dass wir nur von der Föderationsrepublik Turanien sprechen, nicht vonn der gesamten Föderation.


    Zum Zölibat gibt uns das Matthäusevangelium einen Hinweis:


    Das ist etwas, was nicht alle begreifen können, sondern nur die, denen es ´von Gott` gegeben ist. Manche sind nämlich von Geburt an zur Ehe unfähig, manche werden durch den Eingriff von Menschen dazu unfähig gemacht, und manche verzichten von sich aus auf die Ehe, um ganz für das Himmelreich da zu sein



    Geistliche gehören eindeutig zur letzten Kategorie. Es ist sicher nicht allein damit zu erklären, dass es sich beim Priester um einn Full-Time-Job handelt, den haben Staatsmänner- und Frauen auch. Selbst Psychologen müssen zu allen Zeiten für ihre Patienten zur Krisenintervention bereitstehen.


    Die freiwilige Entscheidung, auf das Ehe- oder gar Familienleben zu verzichten, ist damit zu erklären, dass man sich entscheidet, diese Zeit zur Besinnung auf Gott zu verwenden. Es ist etwas Besonderes, auf dem Weg zu und für Gott ehelos zu leben, wie auch die Ehe etwas Besonderes ist. Beides zusammen zu vereinbaren, mag einem einfachen Pfarrer sicher noch gelingen, einem Bischof oder Kardinal sicher nicht.

    ehemals katholischer Pfarrer, nunmehr Hohepriester der Gemeinschaft des schwarzen Sterns.