Verfassungsgutachten Artikel 31 und 39

  • Turanische Föderation
    Nationalversammlung
    Der Präsident


    Sehr geehrter Herr Richter Saxburger,


    durch die jüngste Verfassungsänderung ist eine Situation entstanden, die nach Ansicht des Nationalversammlungspräsidiums ein Verfassungsgutachten des Obersten Gerichtshofs erforderlich macht. Konkret geht es um die Amtszeit des Präsidenten der Föderation und der Föderationsregierung. In Artikel 31 alter Fassung, gültig zum Zeitpunkt der letzten Wahl, ist die Rede davon, dass der Präsident von der Nationalversammlung "für die Dauer von vier Monaten" gewählt wird. Die Amtszeit würde damit im kommenden Monat enden. In Artikel 39 neuer Fassung heißt es dagegen, das Amt des Präsidenten der Föderation (oder eines Föderationsministers) endige "in jedem Falle mit dem Ablauf von sechs Monaten". Demnach würde die Amtszeit "in jedem Fall" erst im September enden.


    Herr Richter, welche Lesart ist Ihres Erachtens die verfassungsrechtlich gebotene?


    Mit freundlichen Grüßen


    Sigurd Thorwald
    Nationalversammlungspräsident

    Sigurd Thorwald
    Generaladministrator

    77
    "Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht."

    "Politischer Stillstand ist der Untergang eines jeden staatlichen Gemeinwesens!"

    "Einer, der Gott leugnet, gleicht einem, der die Sonne leugnet; es nutzt ihm nichts, sie scheint doch."

    Julius Langbehn

    "An Gott glauben nur diejenigen nicht, die ein Interesse daran haben, dass es keinen geben möchte."
    Francis Bacon






  • Oberster Gerichtshof
    der Turanischen Föderation



    VERFASSUNGSRECHTLICHE
    STELLUNGNAHME




    Auf Anfrage des Präsidenten der Nationalversammlung Sigurd Thorwald vom 26.06.2016 gibt der Oberste Gerichtshof folgende Stellungnahme ab:


    Nach Ansicht des Gerichts endet die Amtszeit des derzeit im Amt befindlichen Präsidenten der Föderation Hansgar von Ribbenwald nach einer Dauer von 4 Monaten regulär mit dem Ablauf des 28.07.2016.
    Die durch das 3. Gesetz zur Änderung der Föderationsverfassung vom 24.06.2016 (3. Verfassungsänderungsgesetz) in den Artikeln 31 und 39 der Föderationsverfassung verlängerte Amtszeit des Präsidenten der Föderation ist auf den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassungsänderung im Amt befindlichen Präsidenten der Föderation nicht anwendbar.


    Begründung:


    Nach Artikel 31 der Föderationsverfassung in der Fassung vor Inkrafttreten des 3. Verfassungsänderungsgesetzes (im Folgenden: alte Fassung) war bestimmt, dass der Präsident der Föderation von der Nationalversammlung ohne Aussprache für die Dauer von vier Monaten gewählt wird. Artikel 39 der Föderationsverfassung alte Fassung bestimmte, dass das Amt des Präsidenten der Föderation in jedem Fall mit dem Ablauf von vier Monaten endet. Die viermonatige Amtszeit wurde durch das 3. Verfassungsänderungsgesetz von vier auf sechs Monate verlängert. Gleichzeitig ist in Artikel 31 durch das 3. Verfassungsänderungsgesetz neu bestimmt, dass der Präsident der Föderation nunmehr durch alle im Wählerverzeichnis registrierten Bürger und nicht mehr, wie in Artikel 31 alte Fassung festgelegt, durch die Nationalversammlung gewählt wird.


    Der Präsident der Föderation Hansgar von Ribbenwald wurde mit Urkunde vom 29.03.2016 durch den Generaladministrator gemäß Artikel 31 Satz 2 der Föderationsverfassung ernannt und ist seither im Amt.


    Unabhängig von der Änderung des Personenkreises, welcher nach Artikel 31 der Föderationsverfassung den Präsidenten der Föderation wählt, sind für die Ermittlung der Amtszeit des zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassungsänderung im Amt befindlichen Präsidenten der Föderation die bis zur Verfassungsänderung geltenden Fassungen der Artikel 31 und 39 der Föderationsverfassung maßgeblich.


    Nach dem gemäß Artikel 13 der Föderationsverfassung für die Föderation festgeschriebenen Rechtsstaatsprinzip gilt für die Gesetzgebung der Föderation ein grundsätzliches Rückwirkungsverbot für zu verabschiedende Gesetze und andere gesetzliche Regelungen. Dieses Rückwirkungsverbot ist wesentlicher Teil des Vertrauensschutz der Bürger auf die Beständigkeit und Zuverlässigkeit der Gesetzgebung. Jedermann muss sich auf die Geltung gesetzlicher Regelungen verlassen können und Änderungen sind grundsätzlich nur für die Zukunft zulässig.


    Der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des 3. Verfassungsänderungsgesetzes im Amt befindliche Präsident der Föderation ist gemäß den Regelungen des Artikels 31 der Föderationsverfassung alte Fassung in Verbindung mit dem Föderationswahlgesetzbuch bestimmt worden. Zum Zeitpunkt der Wahl galt eine viermonatige Amtszeit für den Präsidenten der Föderation. Die Mitglieder der Nationalversammlung, welche nach Artikel 31 alte Fassung den Präsidenten der Föderation zu wählen hatten konnten und mussten bei dieser Wahl davon ausgehen, dass sie einen Präsidenten für vier Monate wählen. Auch auf diese verfassungsrechtliche Bestimmung vertrauend wurden die Wahlentscheidungen der Mitglieder der Nationalversammlung getroffen.


    Die Anwendung der durch das 3. Verfassungsänderungsgesetz geänderten Amtszeitbestimmungen auf die Amtszeit des vor Verfassungsänderung ins Amt gekommenen Präsidenten der Föderation verstößt nach Ansicht des Gerichts gegen das genannte Rückwirkungsverbot, da sie auf einen zurückliegenden Rechtsakt, nämlich die Wahl des Präsidenten der Föderation vor Inkrafttreten des 3. Verfassungsänderungsgesetzes zurückwirken würde.


    Diese Stellungnahme gibt ausschließlich die derzeitige Auffassung des Gerichts zu der gestellten verfassungsrechtlichen Frage wider. Sie bindet das Gericht in keiner Weise für ein zukünftig eventuell anhängig werdendes verfassungsgerichtliches Verfahren über den selben oder einen ähnlichen Verhandlungsgegenstand.


    Turan, 27.06.2016



    Vorsitzender Richter

    fld_50.pngAttila Saxburger
    Landeshauptmann der Republik Schwion
    Vorsitzender Richter am Obersten Gerichtshof a.D.
    ____________________________________________
    Jeder kann sagen, was er denkt.
    Er muss es nur tun - Denken. (A.S.)

  • Liest sich die Stellungnahme des Gerichts aufmerksam durch und sieht seine Ansicht bestätigt. Schreibt daher einen Brief an Saxburger, in welchem er ihm für das Gutachten dankt.

    Sigurd Thorwald
    Generaladministrator

    77
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    Julius Langbehn

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    Francis Bacon