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    In einem großen Bürokomplex am Rande der Innenstadt von Samarkand haben die staatlich kontrollierten Medien al-Bathías ihre Redaktionsräume und Sendezentren. Bis zum Ende der Haschab-Regierung im Zuge der Naturkatastrophen 2009/2010 hatte hier das Informationsministerium seinen Sitz. Heute beherbergt das Gebäude aus den frühen 1980er Jahren unter anderem die Zentralredaktion der amtlichen Presseagentur Al-Samar und die Senderäume des staatlichen Rundfunks. "Radio Samarkand" sendet via Satellit weltweit und in mehreren Sprachen, darunter neben Bathanisch auch Turanisch, Albernisch und Futunisch.

  • Radio Samarkand meldet, der Oberste Rat der Streitkräfte starte eine Friedensinitiative für al-Bathía. Das bevorstehende Jahr 2017 solle zum Jahr des Friedens und der Versöhnung für das ganze Land werden. Nähere Angaben zu der Initiative macht der staatliche Rundfunk nicht.

    Generaloberst Malik al-Aswani
    Vorsitzender des Obersten Rates der Streitkräfte von al-Bathía


  • Eine militärische Fanfare kündigt eine wichtige Radio-Sendung an. "Wir übertragen die Neujahrsansprache seiner Exzellenz, des Vorsitzenden des Obersten Rates der Streitkräfte von al-Bathía, Generaloberst Malik al-Aswani", verkündet ein Sprecher.


    Verehrte Mitbürger, Männer und Frauen al-Bathías, Soldaten!
    Aus Samarkand erreicht Sie der Neujahrsgruß der Staatsführung unseres geliebten Heimatlandes. Zu Beginn des neuen Jahres steht al-Bathía so gestärkt da wie lange nicht. Das Banditentum ist besiegt, die politische und wirtschaftliche Stabilität in weiten Teilen der Heimat nach Jahren der Not wiederhergestellt. Nun ist es an der Zeit, eine nationale Aussöhnung zu beginnen. Das neue Jahr soll die Wunden, die die Vergangenheit geschlagen hat, heilen. Wir wollen mit allen gesellschaftlichen Kräften, die am Wohlergehen unserer Heimat interessiert sind, sprechen, um gemeinsam eine lebenswerte Zukunft für alle Bathaner zu schaffen – ohne Krieg, ohne Unfrieden und ohne Hass. Gemeinsam können und werden wir das schaffen!

    Generaloberst Malik al-Aswani
    Vorsitzender des Obersten Rates der Streitkräfte von al-Bathía


  • "Hier ist Radio Samarkand", vermeldet ein Sprecher mit blecherner Stimme: Es folgen die Nachrichten. Gemeldet wird, dass sich der wirtschaftliche Aufschwung fortsetze. Die Friedensinitiative des Obersten Rates der Streitkräfte nehme Formen an, nachdem sich auf dessen Einladung die Turanische Föderation bereit erklärt habe, als Vermittler aufzutreten. In Niniveh, heißt es weiter, sei ein korrupter Beamter seiner gerechten Strafe zugeführt worden. Für Samarkand vermeldet der Wetterbericht wolkenlosen Himmel bei rund 25 Grad, für Tripolis sonnige 30 Grad bei leichtem Wind von der See.

    Generaloberst Malik al-Aswani
    Vorsitzender des Obersten Rates der Streitkräfte von al-Bathía


  • "Hier ist Radio Samarkand", vermeldet ein Sprecher mit gewohnt blecherner Stimme. Ausgestrahlt wird eine Sondersendung zur bevorstehenden Friedenskonferenz in Bahía de Flores, San Bernardo. Der Oberste Rat der Streitkräfte, heißt es, danke der Turanischen Föderation für die Vermittlung und die Bereitstellung eines geeigneten Konferenzortes. Am nächsten Morgen werde Generaloberst Malik al-Aswani als Vorsitzender des Militärrats in Begleitung von Generalmajor Suleiman al-Mansur und dem Groß-Erzbischof von Tripolis, Mikail Marun, nach San Bernardo aufbrechen. Am Freitag solle dort die Friedenskonferenz beginnen, mit der der Rat die Hoffnung auf dauerhafte nationale Versöhnung verbinde. "Damit wird dem Banditentum in unserem geliebten Vaterland endgültig das Handwerk gelegt", wird al-Mansur zitiert.
    Es folgen die Nachrichten. Der Aufschwung in ganz al-Bathía setze sich weiter fort, wird vermeldet. Internationale Investoren kehrten auf Einladung des Obersten Rates der Streitkräfte ins Land zurück und belebten die nationale Wirtschaft. In Qalat Kubri sei es den Sicherheitskräften "durch ein entschlossenes Handeln" gelungen, bewaffnete Islamisten festzunehmen, an der Grenze zu Farnesten südlich von Kerman sei ein Lkw mit Kriegswaffen sichergestellt worden. Man vermute einen Zusammenhang, wird ein Uniformierter zitiert. Der Wetterbericht vermeldet für Samarkand leicht bedeckten Himmel bei 42 Grad, für Tripolis 38 Grad, Kerman und Niniveh um die 40 Grad, in den Bergen kühler.

    Generaloberst Malik al-Aswani
    Vorsitzender des Obersten Rates der Streitkräfte von al-Bathía


  • Radio Samarkand überträgt das erste bathanische Fußballspiel der Philippinischen Spiele in Livornien. Am Ende steht es 2:1 für die gegnerische Mannschaft aus der Goldküste. Die Kommentatoren des Staatssenders führen das auf ein unberechtigt nicht gegebenes Tor der Bathanis und einen parteiischen Schiedsrichter zurück, der "ganz offensichtlich für die Goldküste gepfiffen" habe.

  • Das Staatsfernsehen überträgt live das letzte Gruppenspiel der WM: Al-Bathía gegen Melba. Schon ein Unentschieden würde zum Einzug ins Viertelfinale reichen.

  • Das bathanische Fußballwunder ist Realität: Die Mannschaft von Hamadi al-Ferseh besiegt Melba sensationell mit 5:2 und zieht als Gruppenerster ins Viertelfinale ein. Die Tore schossen Assad (14.), Fahd (22.), al-Malki (35.), Assad (60.) und al-Malki (87.).

  • Béthy konnte das Ministerium schliesslich finden - zum ersten mal in einer fremden Stadt muss man sich erst einmal zurechtfinden. Er betritt das Gebäude und sieht sich suchend um. Hinter sich her zieht er immer noch seinen schweren Rollkoffer, da er noch nicht im Hotel war, sondern direkt vom Flughafen zum Ministerium gekommen ist.

  • Von drinnen hört Béthy eine tiefe Männerstimme, die auf sein Klopfen antwortet. Die bathanischen Worte, die ihn offenbar hereinbitten sollen, klingen wie ein gebellter Befehl auf dem Kasernenhof. In dem Büro, das für nicht mehr als zwei Personen ausgelegt sein kann, sitzt ein einzelner Uniformierter, dessen Alter schwer zu schätzen ist. Er mag Mitte 20 sein oder auch zehn Jahre älter. Seine Schulterklappen, so man sie denn richtig deuten kann, identifizieren ihn als Leutnant der Armee. Ohne seinen ernsten Gesichtsausdruck zu ändern, blickt der Soldat den Ausländer an, der da vor ihm steht und offensichtlich Arbeit bedeutet.

    Leutnant

    Ja bitte ...?

  • Béthys Bathanisch ist zwar gelinde gesagt verbesserungsfähig, aber er nimmt einfach instinktiv einmal an, daß die forschen Worte so etwas wie Eintreten bedeuten. In einem engen und kargen Bureau begegnet er einem jungen Mann, dessen Schnauzbart ihn etwas älter wirken lässt, als er ist. Ein Blick auf die Schulterstücke des Offiziers weist ihn als Leutnant aus - Béthy hatte sich natürlich vorbereitet und die Dienstgradabzeichen vorgängig studiert. Er stellt seinen Koffer in eine Ecke des Bureauraumes und nähert sich dem Beamten respektvoll. Eine angedeutete Verbeugung und einige höfliche romanische Worte eröffnen den Kontakt. Dann legt Béthy seinen Pass und sein Journalistenvisum vor.


    Bonjour, mon Lieutenant. Je m'appelle Jean-Luc Béthy. Je suis journaliste du Nouveau Journal Altbourgeois. Je voudrais voyager dans votre beau pays et écrire un reportage.

  • Der Leutnant versteht kein Wort von dem, was Béthy sagt. Aus dem Pass und dem Journalistenvisum schließt er, dass der Mann auf Anordnung des Militärrats bei ihm ist. Für die weitere Kommunikation mit dem Ausländer, der offenbar kein Bathanisch spricht, versucht es der Soldat mit einigen Brocken Albernisch und Turanisch.


    Leutnant

    Sie Journalist... aus al-Livorniya? You write article about my country?

  • Béthy, der sowohl Albernisch wie auch Turanisch, das bei ihm zu Hause Livornisch genannt wird, fliessend spricht, lächelt und nickt mit dem Kopf.


    Ganz genau, Herr Leutnant! Ich bin Journalist und verfasse einen Artikel über Ihr schönes Land.