Gerichtsverfassung

  • Die Föderationsregierung bittet um Aussprache zum Entwurf einer neuen Föderationsgerichtsverfassung.
    Herr Justizminister Drachensteiner, als Antragsteller haben Sie das erste Wort.



    ENTWURF


    Föderationsgesetzbuch über die Gerichte und ihre Arbeitsweise
    - Föderationsgerichtsverfassung (FGVerf)-


    Teil 1
    Grundlegende Bestimmungen


    §1 - Unabhängigkeit
    (1) Gerichte dienen der Rechtsprechung. Die rechtsprechende Gewalt ist Richtern anvertraut.
    (2) Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter muss gewährleistet sein. Sie dürfen nicht gleichzeitig der Föderationsregierung angehören.
    (3) Richter sind nur ihrem Gewissen verpflichtet und den Gesetzen unterworfen.


    §2 - Gehör vor Gericht
    (1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.
    (2) Das Gericht kann entscheiden, dass es jemanden nicht hören will, wenn dieser erwartbar keine für das Verfahren relevanten Angaben zu tätigen hat.


    §3 - Befähigung zum Richteramt
    Die Befähigung zum Richter hat, wer Staatsangehöriger der Föderation ist, erfolgreich ein juristisches Hochschulstudium abgeschlossen hat, nicht vorbestraft ist und:
    1. in einer Fachausbildung an einem Gericht zum Richter ausgebildet wurde;
    2. in einer Fachausbildung bei einer Staatsanwaltschaft zum Staatsanwalt ausgebildet wurde;
    3. durch einen zugelassenen Rechtsbeistand zum Rechtsbeistand ausgebildet wurde;
    4. an einer Hochschule oder Universität im Geltungsbereich dieses Gesetzes den Doktorgrad einer juristischen Fachrichtung erworben hat.


    Teil 2
    Gerichte


    §4 - Oberster Gerichtshof
    (1) Oberstes Gericht der Föderation ist der Oberste Gerichtshof. Er hat seinen Sitz in der Föderationshauptstadt Turan.
    (2) Der Oberste Gerichtshof besteht aus bis zu drei Richtern, welche gemäß den Bestimmungen der Föderationsverfassung gewählt werden.
    (3) Ist mehr als ein Richter am Obersten Gerichtshof im Amt, wählen die Richter aus ihren Reihen einen zum Vorsitzenden Richter.


    §5 - Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs
    Der Oberste Gerichtshof entscheidet:
    1. über die Auslegung der Föderationsverfassung;
    2. bei Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Föderationsrecht oder Landesrecht mit der Föderationsverfassung;
    3. als oberste rechtsprechende Instanz der Turanischen Föderation;
    4. als Erstinstanz des Zivil- und Strafrechts, wenn ein Gericht der Länder nicht zuständig ist oder der Oberste Gerichtshof das Verfahren an sich gezogen hat (Verfahrensübernahme);
    5. in Strafverfahren, sofern und soweit ihm dieses Gesetz die Zuständigkeit verleiht;
    6. in weiteren gesetzlich vorgesehenen Fällen.


    §6 - Gerichte der Länder
    (1) Die Länder richten nach Maßgabe dieses Gesetzes eigene Gerichte (Gerichte der Länder) ein.
    (2) Unterste rechtsprechende Instanz sind die Bezirksgerichte. Sie werden mit räumlicher Zuständigkeit für einen bestimmten Gerichtsbezirk eingerichtet.
    (3) Oberstes Gericht auf dem Gebiet eines Landes mit der räumlichen Zuständigkeit für dieses Land sind die Landesgerichte. In jedem Land soll mindestens ein Landesgericht eingerichtet sein.
    (4) Gerichte der Länder sind zuständig, sofern und soweit ihnen dieses Gesetz die Zuständigkeit verleiht. Sie sind ferner zuständig für alle Verfahren, für die ihnen Gesetze der Länder die Zuständigkeit verleihen.


    §7 - Gerichtsbezirke
    (1) Gerichtsbezirke sind:
    1. im Freistaat Turanien die Kreise und kreisfreien Städte;
    2. in Schwion die Landgemeinden;
    3. in Ascaaron die Bezirke;
    4. in Vestreyja und San Bernardo das Land.
    (2) Im Freistaat Turanien und in Ascaaron sollen in jedem Gerichtsbezirk drei Bezirksgerichte eingerichtet werden.


    Teil 3
    Staats- und Föderationsanwaltschaft


    §8 - Staatsanwaltschaft
    (1) Staatsanwälte vertreten vor Gericht den Staat. In Strafprozessen vertreten sie die Anklage, sofern und soweit dieses Gesetz die Zuständigkeit nicht der Föderationsanwaltschaft verleiht.
    (2) Jedem Gericht ist mindestens ein Staatsanwalt beigeordnet.
    (3) Staatsanwälte müssen die Befähigung zum Richteramt besitzen. Sie werden gemäß den gesetzlichen Bestimmungen des Landes, für das sie tätig sind, bestimmt.
    (4) Die Länder bestimmen die Laufbahnordnung der Staatsanwälte.


    §9 - Föderationsanwaltschaft
    (1) Die Föderation richtet eine Staatsanwaltschaft der Föderation (Föderationsanwaltschaft) ein.
    (2) Sie ist dem Obersten Föderationsgericht beigeordnet.
    (3) Die Föderationsanwaltschaft ist eine Föderationsbehörde im Sinne des Verwaltungsgesetzbuchs der Föderation.
    (4) Die Föderationsanwaltschaft ist zuständig für:
    1. Ermittlungsverfahren bei Straftaten gegen die Föderation oder gegen Verfassungsorgane der Föderation;
    2. die Beantragung eines richterlichen Haftbefehls bei Straftaten im Sinne des Punkts 1;
    3. die Anklageerhebung und Anklagevertretung in Strafverfahren bei Straftaten im Sinne des Punkts 1;
    4. die Anklageerhebung und Anklagevertretung in allen Strafverfahren, für die die Verfahrenshoheit beim Obersten Gerichtshof liegt.


    §10 - Beamtenstatus; Laufbahnordnung
    (1) Die Anwälte der Föderationsanwaltschaft (Föderationsanwälte) sind Beamte der Föderation.
    (2) Sie werden auf Vorschlag des für die Justiz zuständigen Föderationsministers durch den Präsidenten der Föderation ernannt.
    (3) Föderationsanwälte müssen die Befähigung zum Richteramt besitzen.
    (4) Für Föderationsanwälte bestehen die Besoldungsstufen:
    1. B17 mit der Amtsbezeichnung Föderationsanwalt;
    2. B18 mit der Amtsbezeichnung Leitender Föderationsanwalt;
    3. B19 für den Leiter der Föderationsanwaltschaft (Generalanwalt der Föderation).
    (5) Darüber hinaus richtet sich die Laufbahnordnung für Föderationsanwälte sowie für Verwaltungsbeamte der Föderationsanwaltschaft, die keine Föderationsanwälte sind, nach den Bestimmungen des Föderationsbeamtengesetzes.
    (6) Nichtbeamtete Beschäftigte in der Föderationsanwaltschaft führen die durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes festgelegten Tätigkeitsbezeichnungen.


    Teil 4
    Verfahrensordnung


    § 11 - Verfahrenshoheit
    (1) Die Verfahrenshoheit eines Gerichts richtet sich nach der räumlichen und der materiellen Zuständigkeit.
    (2) Vorbehaltlich der Bestimmungen des Paragrafen 5:
    1. sind Bezirksgerichte zuständig für das Zivil- und Strafrecht;
    2. sind Landesgerichte zuständig für Strafverfahren wegen Straftaten gegen Leib und Leben;
    3. ist der Oberste Gerichtshof zuständig für Strafverfahren wegen Straftaten gegen die Föderation oder gegen Verfassungsorgane der Föderation.


    § 12 - Verfahrensübernahme
    (1) Die Verfahrenshoheit kann vom zuständigen Gericht auf eine höhere Instanz übertragen werden (Verfahrensübernahme).
    (2) Eine Verfahrensübernahme ist möglich, wenn ein zuständiges Gericht nicht besteht oder:
    1. auf Beschluss des zuständigen Gerichts mit Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten, wenn auch die nächsthöhere Instanz zustimmt;
    2. auf Beschluss der nächsthöheren Instanz auf Antrag mindestens eines Verfahrensbeteiligten;
    3. auf Beschluss des Obersten Gerichtshofs, sofern ein öffentliches Interesse an der Verfahrensübernahme vorliegt.


    § 13 - Antragsverfahren
    (1) Gerichtsverfahren werden vom zuständigen Gericht auf Antrag angesetzt.
    (2) Den Antrag auf Eröffnung eines Verfahrens stellt:
    1. bei zivilrechtlichen Schiedsgerichtsverfahren eine der beteiligten Parteien;
    2. bei zivilrechtlichen Klageverfahren die klagende Partei;
    3. bei Strafverfahren der zuständige Staats- oder Föderationsanwalt (Anklageerhebung).


    § 14 - Vorsitz
    (1) Gerichtsverfahren finden unter Vorsitz eines Richters (Vorsitzender) statt. Der Vorsitz richtet sich nach der Geschäftsordnung des zuständigen Gerichts.
    (2) Der Vorsitzende leitet das Verfahren und übt für dessen Dauer im Gerichtssaal das Hausrecht aus. Sofern es für den ungestörten Verlauf des Verfahrens nötig ist, kann er:
    1. Verfahrensbeteiligte maßregeln oder befristet vom Verfahren ausschließen;
    2. Zuschauer aus dem Gerichtssaal entfernen lassen;
    3. Ordnungsgelder gegen Verfahrensbeteiligte oder Zuschauer verhängen;
    4. die Öffentlichkeit dauerhaft oder befristet von dem Verfahren ausschließen.


    § 15 - Verfahrensablauf; Fristen
    (1) Gerichtsverfahren sind mindestens 120 Stunden vor ihrer Eröffnung vom Vorsitzenden öffentlich anzukündigen.
    (2) Der Vorsitzende kann ein Verfahren befristet unterbrechen, sofern dies für den weiteren Verlauf sachdienlich ist. Die Dauer der Unterbrechung ist in dem entsprechenden Beschluss anzugeben.
    (3) Der Vorsitzende kann das Verfahren einstellen, wenn:
    1. eine außergerichtliche Einigung der Verfahrensbeteiligten erfolgte;
    2. alle Verfahrensbeteiligten dem zustimmen und kein öffentliches Interesse an einer Fortdauer des Verfahrens besteht;
    3. in einem Strafverfahren eine Verurteilung unwahrscheinlich ist oder nur zu einer geringen Strafe führen würde.
    (4) Allen Verfahrensbeteiligten ist ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, zumindest zu Beginn und am Ende eines Verfahrens. Der Vorsitzende kann eine Frist festlegen, binnen derer Stellungnahmen zu erfolgen haben. Die Frist hat mindestens 72 Stunden zu betragen.
    (5) Der Vorsitzende ruft an geeigneter Stelle des Verfahrens Zeugen, von denen sachdienliche Angaben zu erwarten sind, dazu auf, sich zu Wort zu melden. Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
    (6) Nach den abschließenden Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten (Plädoyers) soll das Gericht binnen einer Woche zu einem Urteil kommen. Das Urteil muss begründet sein.


    § 16 - Vertretung vor Gericht
    (1) Verfahrensbeteiligte, die nicht Richter oder Anklagevertreter sind, können sich im Gerichtsverfahren durch einen Rechtsbeistand vertreten oder unterstützen lassen.
    (2) Ein Rechtsbeistand muss die Befähigung zum Richteramt besitzen und an einem Gericht im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassen sein.


    § 17 - Nebenkläger
    In Strafverfahren kann das Gericht von der Straftat unmittelbar Betroffene oder Familienangehörige als Nebenkläger zulassen. Paragraf 16 gilt entsprechend


    § 18 - Vorverfahren
    (1) Ein Verfahren im Strafrecht beginnt in der Regel mit einem Vorverfahren. Ein Vorverfahren ist die Ermittlungstätigkeit:
    1. der zuständigen Staats- oder Föderationsanwalt;
    2. der Polizei;
    3. der Polizei im Auftrag der zuständigen Staats- oder Föderationsanwaltschaft.
    (2) Die Ermittlungstätigkeit hat unvoreingenommen und unparteilich zu erfolgen.


    § 19 - Berufung
    (1) Gegen Urteile eines Gerichts kann binnen einer Frist von sieben Tagen bei der nächsthöheren Instanz einmalig das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden.
    (2) Das Rechtsmittel der Berufung kann von allen Verfahrensbeteiligten, die nicht Richter sind, eingelegt werden.
    (3) Wird Berufung gegen ein Urteil eingelegt, geht die Verfahrenshoheit auf die nächsthöhere Instanz über.
    (4) Gegen Urteile des Obersten Gerichtshofs ist eine Berufung nicht möglich.


    § 20 - Revision
    (1) Legt ein Verfahrensbeteiligter, der nicht Richter ist, das Rechtsmittel der Revision ein, so überprüft die nächsthöhere Instanz die Verfahrensführung des Gerichts, gegen dessen Urteil Revision eingelegt wurde. Stellt die nächsthöhere Instanz grobe sachliche Fehler oder Gesetzesverstöße in der Verfahrensführung fest, ist das Verfahren beim zuständigen Gericht zu wiederholen.
    (2) Das Rechtsmittel der Revision kann binnen einer Frist von sieben Tagen bei der nächsthöheren Instanz eingelegt werden. Revision gegen Urteile des Obersten Gerichtshofs ist bei der Nationalversammlung einzulegen.


    Teil 5
    Schlussbestimmungen


    § 21 - Vollzug
    Der Vollzug dieses Gesetzes obliegt dem für die Justiz zuständigen Föderationsminister.


    § 22 - Außerkrafttreten
    Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes treten die Allgemeine Prozessordnung i.d.F. vom 29. August 2005 und die Turanische Gerichtsordnung i.d.F. vom 15. Juli 2013 außer Kraft.


    § 23 - Inkrafttreten
    Dieses Gesetz tritt mit Ablauf des Tages seines Verkündung in Kraft.

    Sigurd Thorwald
    Generaladministrator

    77
    "Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht."

    "Politischer Stillstand ist der Untergang eines jeden staatlichen Gemeinwesens!"

    "Einer, der Gott leugnet, gleicht einem, der die Sonne leugnet; es nutzt ihm nichts, sie scheint doch."

    Julius Langbehn

    "An Gott glauben nur diejenigen nicht, die ein Interesse daran haben, dass es keinen geben möchte."
    Francis Bacon

  • Herr Präsident, Abgeordnete der Nationalversammlung, die Regierung legt den Entwurf vor, weil wir die dringende Notwendigkeit gesehen haben, unser Justizsystem auf eine neue, eine verlässlichere Basis zu stellen. Es gibt zu viele widersprüchliche Bestimmungen in zu vielen Gesetzen, als dass eine vernünftige Justizarbeit möglich wäre. Hiermit legen wir nun ein Gerichtsgesetz aus einem Guss vor, das erstmals die Gerichtsverfassung der Föderation und die Prozessordnung einheitlich regelt.

    Föderationsminister für Verteidigung
    Abgeordneter der Nationalversammlung

    Co-Vorsitzender des Geeinten Turanien


    Föderationsminister für Inneres, Verteidigung und Justiz a.D.
    Föderationsminister für Inneres, nationale Sicherheit und Verteidigung a.D.

  • Gibt es Wortmeldungen?

    Sigurd Thorwald
    Generaladministrator

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    Julius Langbehn

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    Francis Bacon

  • Kann die Regierung ausführen, welche inhaltlichen Änderungen gegenüber dem jetzigen Zustand beabsichtigt sind?


    Ich sehe, dass viele Bestimmungen aus den ersetzten Gesetzen übernommen worden sind, allerdings in deutlich anderer Anordnung, so dass ein Vergleich mühsam ist. Es fällt aber schnell auf, dass manche bestehende Bestimmungen keinen Ersatz im neuen Gesetz gefunden haben: Beispielsweise kommt die Auflösung von verfassungswidrige Parteien nicht mehr vor und würde damit vermutlich abgeschafft. Die TGO bestimmt auch, wer den Obersten Gerichtshof anrufen kann, was im neuen Gesetz ebenfalls nicht mehr vorkommt. Es lassen sich mit Sicherheit noch weitere Punkte finden, die im Vergleich fehlen. Ohne ausführliche Begründung des Entwurfs fällt es mir schwer zu beurteilen, ob das alles beabsichtigte Reformen sind oder ob hier unstrittig nachgebessert werden sollte.


    Sehr kritisch sehe ich die Einführung der Nationalversammlung als Revisionsinstanz für den Obersten Gerichtshof. Das ist eine grobe Verletzung der Gewaltenteilung. Die gesetzgebende Gewalt sollte nie auch gleichzeitig Recht sprechen. Das gilt nicht nur, aber ganz besonders dann, wenn es potenziell um die Vereinbarkeit ihrer eigenen Beschlüsse mit der Verfassung geht.

  • Herr Abgeordneter Henriksson, die Regierung hat nicht alle Bestimmungen aus den bisherigen Justizgesetzen übernommen, weil dies schlicht und ergreifend nicht nötig ist. Um Ihr Beispiel aufzugreifen: Die Auflösung verfassungswidriger Parteien regelt bereits das Parteiengesetz. Es ist zugegebenermaßen auch in die Jahre gekommen und sollte den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Dies ist jedoch nicht Sinn und Zweck des vorliegenden Gesetzesentwurfs.
    Nun zur Anrufung des Obersten Gerichtshofs: Diese ist in der FGVerf an mehreren Stellen geregelt, insbesondere in § 13 (2) und § 12 (2). Die bisherige Einschränkung, dass nur Turanier den OGH anrufen dürfen, fällt weg. Ich bin der Überzeugung, dass auch Bürger ausländischer Staaten das Recht haben sollten, Anträge beim OGH zu stellen. Erst recht, da der OGH nun eine umfassender geregelte Zuständigkeit erhält.
    Was die Einführung der Nationalversammlung als Revisionsinstanz für den Obersten Gerichtshof angeht, gebe ich Ihnen Recht: Das widerspricht der Gewaltenteilung. Aber: Wer sagt, dass die Föderation eine 100-prozentige Gewaltenteilung besitzt? Sie tut es nicht, wie man bereits an der Tatsache sehen kann, dass die Richter am OGH von der Nationalversammlung gewählt werden. Ich darf ferner darauf hinweisen, dass die NV zwar Revisionsinstanz für Entscheidungen des OGH ist, jedoch nicht Berufungsinstanz. Wenn die NV also einem Revisionsantrag zustimmt, ist erneut der Oberste Gerichtshof zuständig. Die NV soll und wird in keinem Fall Gerichtsurteile fällen.
    Darüber hinausgehend sehe ich keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen im Vergleich zu den bisherigen Regelungen. Wie gesagt: Es geht primär um eine bessere Darstellbarkeit und Übersichtlichkeit des Justizwesens, um so für Rechtssicherheit bei Bürgern und Verfahrensbeteiligten zu sorgen. Dies gilt freilich auch für die teils widersprechenden Bestimmungen in den Landesgesetzen, die hiermit erstmals unter einen Hut gebracht werden.

    Föderationsminister für Verteidigung
    Abgeordneter der Nationalversammlung

    Co-Vorsitzender des Geeinten Turanien


    Föderationsminister für Inneres, Verteidigung und Justiz a.D.
    Föderationsminister für Inneres, nationale Sicherheit und Verteidigung a.D.

  • Dass fehlende Gewaltenteilung nicht prinzipiell unvorstellbar ist, gestehe ich Ihnen zu. Auch absolute Monarchien und Diktaturen sind in der Regel in gewisser Weise funktionierende Staaten. Es ist "nur" eine politische Frage, in welcher Art von Gesellschaft und Staat wir leben wollen. Meine Meinung ist ganz klar, dass ich in einem Staat mit unabhängiger Justiz leben will, und das ist nicht mehr der Fall, wenn die Nationalversammlung zwar nicht selbst Urteile sprechen, aber immerhin missliebige Urteile, auch solche gegen ihre eigenen Beschlüsse, blockieren kann.


    Im Übrigen werde ich wohl mit dem Vergleich der alten und neuen Gesetzestexte und anschließenden Fragen fortfahren müssen, wenn die Regierung keine Erklärung zu den beabsichtigten Reformen zur Verfügung stellen kann.

  • Nun mäßigen Sie mal bitte Ihren Ton, Herr Abgeordneter! Sie tun ja gerade so, als ob unser Land nur einen Schritt von der Diktatur entfernt sei. Das ist absurd!
    Ich frage Sie: Möchten Sie vor Gericht stehen und wegen eines Verfahrensfehlers verurteilt werden, obwohl Sie unschuldig sind? Sie hätten keine Chance auf ein anderes Urteil. Das wollen Sie bestimmt nicht. Korrekt?
    Also nochmal zum Mitschreiben: Die Nationalversammlung kann keine "missliebigen Urteile" aufheben. Sie kann lediglich feststellen, dass das Verfahren nicht rechtsstaatlich, also getreu der Gesetze, ablief.


    Und nun: Bitte, fahren Sie fort...

    Föderationsminister für Verteidigung
    Abgeordneter der Nationalversammlung

    Co-Vorsitzender des Geeinten Turanien


    Föderationsminister für Inneres, Verteidigung und Justiz a.D.
    Föderationsminister für Inneres, nationale Sicherheit und Verteidigung a.D.

  • Dass wir an der Schwelle zu einer Diktatur stehen ist nicht, was ich sagen wollte, denn dass das nicht stimmt, ist offensichtlich. Aber an Extrembeispielen lässt sich eben sehen, dass Gewaltenteilung nicht naturgegeben ist, sondern eine Entscheidung, die wir als Gesellschaft freiwillig getroffen haben, weil wir sie für ein gutes Konzept halten. Wir können genauso freiwillig wieder davon abrücken, ganz oder in Teilen. Ich spreche mich auch gegen ein teilweises Abrücken aus, andere mögen das anders sehen.


    Mit welcher Begründung die Nationalversammlung Urteile blockieren kann, ist am Ende egal. Wenn das Urteil inhaltlich nicht passt, aber nur das Verfahren angegriffen werden kann, wird in die Begründung eben das Verfahren geschrieben. Solche grundlegenden Mechanismen des demokratischen Rechtsstaats können nicht einfach nur auf Schönwetter ausgelegt sein, sondern sie müssen auch noch funktionieren und Halt geben, wenn einmal die Nationalversammlung von Kräften dominiert werden sollte, denen weniger an diesen Werten liegt und die auch bereit sind, ein objektiv einwandfreies Verfahren zu beanstanden.


    Einen echten dauerhafteren Schutz hätten wir an dieser Stelle natürlich nur, wenn wir ein Verbot dieser Vermischung in die Verfassung schreiben würden. Wobei die Frage ist, ob Art. 50 ("Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut. Sie wird durch den Obersten Gerichtshof und die Gerichte der Länder ausgeübt.") nicht ohnehin schon der Nationalversammlung als Revisionsinstanz widerspricht.

  • Ich verstehe Ihre Bedenken. Aber: Welcher Mechanismus, um den von mir genannten Fall einer Verurteilung wegen Verfahrensfehlern zu verhindern, schwebt Ihnen vor?

    Föderationsminister für Verteidigung
    Abgeordneter der Nationalversammlung

    Co-Vorsitzender des Geeinten Turanien


    Föderationsminister für Inneres, Verteidigung und Justiz a.D.
    Föderationsminister für Inneres, nationale Sicherheit und Verteidigung a.D.

  • Letztendlich hilft dagegen meines Erachtens nur, den Obersten Gerichtshof in möglichst wenigen Fällen zur ersten Instanz zu machen. Möglicherweise kann man auch noch einen Weg schaffen, wie der Oberste Gerichtshof sich bei Beschwerden über Verfahrensfehler selbst korrigieren kann. Aber letztendlich ist der Rechtsweg an irgendeiner Stelle immer ausgeschöpft und es gibt keine höhere Instanz mehr. Das ändert sich auch dann nicht, wenn man die Nationalversammlung einbezieht, denn auch die kann falsch liegen.

  • Lauscht der angeregten Debatte...überlegt kurz...steht auf, nimmt eine kleine unscheinbare Brille in die Hand.


    Herr Minister, wie Sie vielleicht wissen, oder auch nicht wissen, ich bin nicht mehr der allerjüngste. :)
    Mein Gedächtnis scheint mich in einer Frage zu verlassen... Deshalb, wären Sie so freundlich und könnten dem hohen Haus und mir noch einmal den Unterschied zwischen der Gewaltenteilung und der Gewaltenverschränkung erklären.


  • Will der jetzt eine Vorlesung in Politikwissenschaft?


    Nun, Herr Abgeordneter, Gewaltenteilung beschreibt - vereinfacht gesagt - die Unabhängigkeit der drei Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative voneinander. Anders gesagt: Die Regierung hat dem Parlament nicht reinzureden, das Parlament nicht den Gerichten usw. Die Föderation hat keine explizite Tradition einer weitgehenden Gewaltenteilung. Hier herrscht vielmehr der Grundsatz der Gewaltenverschränkung vor. Er bedeutet die gegenseitige Kontrolle der drei Gewalten: Das Parlament kontrolliert die Regierung und kann sie abwählen, und es wählt die Richter am Obersten Gerichtshof. Der OGH kontrolliert Gesetze auf ihr rechtmäßiges Zustandekommen und ihre Übereinstimmung mit der Verfassung. Außerdem wirken die Exekutiven der Länder über den Föderationsrat an der Gesetzgebung der Föderation mit und werden sozusagen selbst zur Legislativen.

    Föderationsminister für Verteidigung
    Abgeordneter der Nationalversammlung

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  • Also keine explizite Tradition der Gewaltenteilung...finden Sie...

    Setzt die Brille etwas unbeholfen auf die Nasenspitze und greift Unterlagen zielsicher aus einem Stapel Papiert vor ihm.


    Sehr interessant was ich hier lese...Turanische Gerichtsordnung, alte Fassung:


    "§ 6 Abs. 1: Das Oberste Föderationsgericht besteht aus dem Vorsitzenden Richter."


    Hier weiter in der Verfassung der Föderation Turanischer Republiken:


    "Art. 44: Das oberste Gericht der Föderation Turanischer Republiken ist das Oberste Föderationsgericht."


    Hier lese ich nicht die Regierung, hier lese ich nicht das Parlament.
    Denn! Genau das ist es nämlich, Sie verletzen die Gewaltenteilung im groben Maße, wenn Sie die Nationalversammlung, wenn auch nur teilweise, zu einer wie auch immer gearteten Instanz über dem "höchsten" turanischen Gericht aufbauen. Deshalb möchte ich ja von Ihnen wissen, ob Sie den Unterschied kennen oder nicht.


    Setzt die Brille wieder ab, ruhig:


    Wenn ich den Entwurf lese, mit Verlaub, wissen Sie es nicht.

  • Nun, wie ich bereits sagte: Gewaltenteilung im eigentlichen Wortsinn kennt die Föderation nicht, im Übrigen auch nicht die alte Föderationsverfassung oder die alte Gerichtsordnung. Sehr wohl aber eine Gewaltenverschränkung.

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  • Ihre Auslegung empfinde ich befremdlich. Der Gesetzgeber kann etwas regeln, indem er etwas benennt und definiert; er kann aber auch einfach etwas definieren ohne es zu benennen. Und was am Superlativ "höchstgerichtlich" ist in Ihren Augen unverständlich? Das ist der letzte Rechtszug. Dann ist Schluss, Aus, Ende, nennen Sie es wie Sie wollen. Danach kommt nichts mehr.


    leise zu sich selbst, aber noch knapp hörbar für das Mikrofon:


    Unglaublich...

  • Auch an Sie die Frage: Sollte nicht jedes Urteil zumindest einmal von einer anderen Instanz überprüft werden können?

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  • Herr Justizminister, Sie erstaunen mich. Sicher kann man diese Frage stellen. Nur ist die Sinnhaftigkeit aus Sicht der Rechtswissenschaften praktisch fraglich. Ich denke, Ihre Frage ist eher ein rhetorischer Versuch...ich gehe davon aus, dass es Ihnen genau so klar ist, wie jedem Bürger und Mitglied im hohen Haus.
    Der ordentliche Rechtsweg im turanischen Rechtsstaat beinhaltet auf dem Weg zum OGH diverse Rechtszüge. So sieht es ja auch § 6 Ihres Entwurfes vor. ;) Letztinstanzlich urteilt der OGH.
    Und nochmal, die Gewaltenteilung ist besonders bei der Justiz möglichst eng auszulegen und eine Gewaltenverschränkung möglichst zu vermeiden. Ist das nicht der Fall drohen andernfalls Systeme wie in bestimmten anderen Ländern, denen wir nicht nacheifern wollen...Gesinnungsjustiz, politische Justiz, Willkür...um nur drei Schlagworte dafür zu geben.
    Das können Sie, das kann die Föderationsregierung nicht wollen?

  • Offenbar haben auch Sie den Entwurf nicht gelesen. Oder zumindest wesentliche Passagen nicht verstanden. Es gibt durchaus nicht wenige Fälle, bei denen der OGH Erstinstanz ist. Wie wollen Sie in solchen Fällen eine Überprüfung des Verfahrens bzw. Urteils erreichen? Als Föderationsjustizminister bin ich der ehernen Überzeugung, dass jeder Mensch, der vor Gericht steht, zumindest das Recht auf Revision haben muss. Andernfalls sind wir tatsächlich nicht mehr weit von gewissen anderen politischen und Rechtssystemen, die Sie ansprechen.

    Föderationsminister für Verteidigung
    Abgeordneter der Nationalversammlung

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