Ein Café in Hentschau

  • Um pünktlich zur Verabredung zu erscheinen und einen nicht zu unspektakulären Auftritt zu haben, lässt sich Reis mit einem Hubschrauber so nah heranfliegen, wie es erlaubt ist, und seilt sich von diesem spektakulär ab. Nachdem er sich von Seil und zugehörigem Geschirr gelöst hat und beides wieder in den Heli gezogen wird, rückt er sein Sakko gerade und zündet sich eine Zigarette an. Die Leute, die ihn dabei anstarren, beachtet er nicht, sondern geht zielstrebig an allen Cafés entlang und lässt seinen Blick über die dort sitzenden Gäste schweifen. Er sucht Egomar.

  • Als er Egomar ankommen sieht und feststellt, dass er nicht alleine ist, nimmt er noch einen tiefen Zug, ehe er die Zigarette ausdrückt und ordnungsgemäß entsorgt. Mit ernstem Blick und zum Gruß ausgestreckter Hand geht er auf ihn zu.


    Hallo Herr Egomar. Ich dachte, Sie kommen allein?

  • Das sind nur zwei harmlose Begleiter: Ottomar und Selbmar. Sie sehen sich die Gegend an, während wir uns unterhalten.


    Winkt die beiden weg und reicht Reis die Hand.


    Schön, dass Sie es einrichten konnten, Lord Reis.

  • Er schaut den beiden skeptisch hinterher, während er Egomars Hand zum Gruß mit festem Druck schüttelt


    Dann setzen wir uns mal und Sie erzählen mir, was Sie mir erzählen möchten. Es sollte besser gut, verbindlich und gewaltfrei sein. Dass man uns hier zusammen sieht, dürfte alleine schon die Gerüchteküche zum Kochen bringen. Darum habe ich mir vorsichtshalber etwas mitgebracht...


    Er knöpft sein Hemd leicht auf, unter dem ein T-Shirt hervorblitzt, auf dem der Satz "Ich habe nichts mit dem Putsch in Underbergen zu tun" zu lesen ist. Schnell knöpft er es wieder zu.

  • Sieht das Wort Putsch und fuchtelt gleich beschwichtigend mit den Händen.


    Ich möchte zunächst feststellen, dass es sich nicht um einen Putsch handelte. Meine Männer und ich haben die derzeitige Machtlosigkeit der Autoritäten und die Bedrohungen durch das Ausland, insbesondere durch Slezsko, zum Anlass genommen, die politischen Gegebenheiten neu zu ordnen. Die Neue Somanische Republik ersetzt nicht die legitimen Behörden der Freien Stadt Underbergen. Sie ist vielmehr das rekonstituierte, neu errichtete Soma, das nun nach fast 15 Jahren wieder handlungsfähig wird. Die Stadt Underbergen mit all ihren Einrichtungen besteht dessen ungeachtet weiter. Unverändert.

  • Er deutet auf ein Café ganz in der Nähe und einen dort freistehenden Tisch


    Setzen wir uns doch erst einmal. Ich glaube, eine Tasse Tee wäre dem Gespräch angemessen. Wie sehen Sie das?


    Nachdem beide sich gesetzt haben werden und ihre Getränkebestellung aufgegobten, setzt Reis an:


    Ich will klarstellen, dass Pottyland die Freie Stadt Underbergen als souveränen Staat anerkennt, ebenso wie die Slezska Republica. Dass Herr Isomir seine Ämter offenbar niedergelegt hat oder sie als niedergelegt betrachtet, hat er mir gegenüber selbst geäußert. Aus meiner Sicht fehlt der Freien Stadt Underbergen daher derzeit ein Oberhaupt.


    Eine Neuordnung politischer Gegebenheiten sehe ich aus diesem Grund auch nicht, insbesondere keine demokratische Legitimation des Handelns innerhalb der Freien Stadt Underbergen. Ein Staat mit Namen "Soma" ist aus meiner - und damit aus pottyländischer - Sicht nicht existent.


    Was stellen Sie sich vor, wie soll es mit dem autonomen Gebiet Underbergens weitergehen? Werden Wahlen abgehalten? Gibt es Bestrebungen zur Änderung des Staatsgebiets? Was ist überhaupt der jetzige Plan?

  • Atmet einmal tief durch.


    Ich fange im Jahr 2006 an. Damals gab es – unbestritten – den international anerkannten Staat Soma. Er umfasste neben dem heutigen Underbergen und den umliegenden Bergregionen ein etwa doppelt bis dreimal so großes Gebiet, das heute bedauerlicherweise meist als Bestandteil Slezskos in den Karten verzeichnet ist. Etwa 2006 begann die Staatsgewalt Somas an Stabilität zu verlieren. Es gab Konflikte, die man als neutraler Beobachter vermutlich als Bürgerkrieg bezeichnen würde. Einer der damaligen Akteure war Herr Isomir.


    In den Bürgerkrieg griffen Milizen ein, die insgeheim von der schlesischen Regierung unterstützt wurden. Es gab Zigtausende Tote. Giftgas wurde gegen Soma eingesetzt und weite Teile der Städte wurden unbewohnbar. Die meisten Überlebenden flüchteten ins vergleichsweise ruhige Underbergen oder ins Ausland. Die Staatsgewalt Somas brach nun faktisch zusammen. Stattdessen erklärte sich nun Underbergen als "Freie Stadt" zum Staat. Aus damaliger Sicht war das sinnvoll, ich habe das unterstützt. Allerdings war es streng genommen illegal. Denn die Verfassung Somas sah solch einen Schritt nicht vor.


    Vielleicht verstehen Sie nun unsere Beweggründe ein wenig: Wir wollen die alte Staatlichkeit Somas wiederaufrichten. Der Staat Soma, das legitime politische System meines Landes, hat nie aufgehört zu bestehen. Er war nur handlungsunfähig. Wir stellen die Handlungsfähigkeit wieder her. Eine neue Verfassung soll nun erarbeitet werden, die auch die Belange der bisherigen Freien Stadt Underbergen wahrt. Am Ende dieses Prozesses stehen Wahlen.

  • Dass es einmal einen Staat dieses Namens gab, ist mir bekannt - auch, dass er zerfallen ist. Durch das Buch des Herrn Gobberwarz habe ich mich da auch noch ein bisschen in seine Sichtweise einlesen können - die mir, nebenbei erwähnt, nicht sonderlich zusagt.


    Von mir aus kann die gewählte Regierung Underbergens ihren Staat so benennen, wie sie möchte - solange der Name nicht bereits anderweitig vergeben ist, versteht sich. Doch dafür müsste es erst einmal wieder eine geben. Die Freie Stadt Underbergen existiert völkerrechtlich gesehen noch in dieser Form, sie wurde nicht aufgelöst - wie gesagt: Aus der Sicht des Königreichs Pottyland. Es besteht ein Grundlagenvertrag mit der Freien Stadt Underbergen, in der die territoriale Integrität gewährleistet wird und die geltenden Grenzen anerkannt werden.


    Aber etwas anderes - Sie sprachen von einem Gebiet, das als Bestandteil Slezskos auf Karten verzeichnet sei. Würden Sie mir ein bisschen näher erläutern, was Sie damit meinen?


    Die Getränke werden gebracht und Reis zupft auf enervierende Art und Weise an dem Bändsel, an dem der Teebeutel hängt

  • Pustet seinen Tee und stellt die Tasse wieder hin.


    Nun ja, seit dem Krieg von 2006/2007 beherrscht Slezsko den größten Teil Somas. Kürzlich wollte es ihn sogar förmlich annektieren. Aber soweit ich weiß, ist das am Widerstand des Parlaments gescheitert.

  • Da decken sich meine Informationen mit Ihren. Und das ist in meinen Augen ein gutes Zeichen. Veränderungen des Staatsgebiets gehen nur, wenn auch wirklich alle Beteiligten damit einverstanden sind. Nordhanar und Korland haben eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Die stößt zwar stellenweise ebenfalls auf Widerstand, diente letztllich jedoch dazu, einen Konflikt gewaltfrei zu beenden. Zunächst...

    Slezsko hat sich damit gegen eine Annektierung fremden Staatsgebietes ausgesprochen. Allerdings stellt sich mir die Frage, inwieweit die offiziellen Karten dann den tatsächlichen Sachstand darstellen. Das betreffende Gebiet - ist das derzeit komplett unabhängig oder steht es auch unter schlesischer Verwaltung?


    Vielleicht trügt mich meine Erinnerung da, aber kann es sein, dass Soma am Ende eine absolute Monarchie und unter Isomir eine autokratische Republik ohne Verfassung war? Ich habe ein wenig recherchieren lassen...

  • Das Gebiet, von dem wir sprechen, das einstige Kernland Somas, ist weitgehend entvölkert. Es war schon früher dünn besiedelt, aber seit dem Krieg leben dort kaum noch Menschen, soweit ich weiß. Die Städte sind größtenteils zerstört. Da die Freie Stadt Underbergen nie den Anspruch erhob, Rechtsnachfolger des alten Soma zu sein, erhob sie auch nie Ansprüche auf dieses Gebiet. Stattdessen nutzten die schlesischen Milizen das Vakuum und breiteten sich in dem Gebiet aus. Wie die momentane Rechtslage aus Sicht von Slezsko aussieht, müssen Sie dort fragen. Wir jedenfalls betrachten das fragliche Gebiet als besetztes somanisches Territorium.


    Eine geschriebene Verfassung hatte Soma tatsächlich nicht. Das ist mit ein Grund, warum ich nicht einfach zurück zum alten Soma will.

  • Daraus schließe ich, dass es zwischen Slezsko und Underbergen nie eine vertragliche Grundlage zur Aufteilung des früheren somanischen Staatsgebiets gab. Ist das richtig?


    Auch wenn ich weiß, dass es durch die nicht sonderlich alte Geschichte zwischen Slezsko und Underbergen nicht unbedingt freundschaftliche Gefühle gibt: Die Frage der Zugehörigkeit des Landes ist zu klären. Ein Niemandsland sollte es nicht geben.

    Es liegt ein klares Missverhältnis der Kräfte Slezskos und Underbergens vor. Egal, welche Pläne hier in Underbergen geschmiedet werden - Slezsko wird da ein Wörtchen mitreden bzw. mitzureden haben.


    Aber das kurz an den Rand gestellt: Was stellen Sie sich vor, wie es mit Underbergen weitergeht? Wirtschaft und Politik waren da gerade erst im Begriff, sich ansatzweise zu stabilisieren. Das Abdanken des Oberö... Isomirs und das Auftreten der... "Herren" mit den Messern sorgt nicht gerade für Stabilität, im Gegenteil. Underbergen ist ohne Oberhaupt, es sollten unverzüglich Wahlen eingeleitet werden.

  • Nein, es gab diesbezüglich keinerlei Absprachen zwischen Slezsko und Underbergen. Es gab, wenn ich das hinzufügen darf, nicht einmal offizielle Kontakte. Unsererseits besteht dazu angesichts der jüngeren Geschichte kein Interesse. Sicherlich werden Sie aber Recht haben: Slezsko wird in dieser Sache mitreden wollen. Das beunruhigt mich.


    An der Stabilität wollen wir weiter arbeiten. Mir ist klar, dass die Ereignisse der letzten Tage und Wochen nicht unbedingt dazu beigetragen haben, Sie oder andere Beobachter im Ausland zu beruhigen. Was im Rathaus geschehen ist, tut mir aufrichtig leid. Es wird nicht mehr vorkommen. Ich dulde keine solche Disziplinlosigkeit! Nun ist es aber nicht mehr ungeschehen zu machen. Wir wollen daher in die Zukunft schauen und die passenden Konsequenzen aus den Ereignissen der Vergangenheit ziehen.


    Fakt ist: Herr Isomir ist sowohl als Oberörf wie auch als Bürgermeister zurückgetreten. Ich strebe keines der beiden Ämter an, wäre aber bereit, mich übergangsweise vom Rat zum Bürgermeister wählen zu lassen. Voraussetzung ist natürlich, dass wir überhaupt einen beschlussfähigen Rat zustandebringen. In einem nächsten Schritt werden wir die neue Verfassung angehen, die das gesamte Volk von Underbergen und Soma beschließen soll.

  • Es gefällt mir, dass Sie die kleinen Schritte nicht aus den Augen verlieren.


    Mit Slezsko bestehen von Seiten Pottylands - wie Sie sicher wissen - ebenfalls diplomatische Kontakte. Gerade Präsident Hora machte mir da einen sehr vernünftigen Eindruck, man konnte gut mit ihm reden. Eine Annäherung Slezskos und Underbergens würde ich begrüßen und hierfür gegebenenfalls als Mediator bereitstehen. Pottyland ist an Stabilität und Frieden in Antica interessiert, wobei "Frieden" nicht bloß die Abwesenheit von Krieg ist.


    Er drückt den Teebeutel aus, legt ihn gemächlich beiseite und trinkt betont langsam kleine Schlucke seines Pfefferminztees. Gerade als er den Eindruck hat, dass Egomar etwas sagen möchte, stellt er die Tasse ab und sagt sehr deutlich


    Danke für die Entschuldigung der Vorgänge im Rathaus. Ich nehme sie an. Schade, dass Aurélie gerade nicht dabei ist - sie hat erheblich mehr miterlebt als ich... wobei man fairerweise zugeben muss, dass sie vielleicht ein bisschen übertrieben haben könnte. Sie sah sich bedroht und ist passionierte Kampfsportlerin sowie Ex-Kellnerin. Da sind die Reflexe schon sehr geschult.

  • Es würde mich freuen, wenn Pottyland vermittelnd tätig werden könnte. Und damit meine ich nicht nur gegenüber Slezsko. Ich meine auch: innerhalb der zerstrittenen Gesellschaft Underbergens.


    Trinkt einen Schluck Tee.

  • Ob wir das letztgenannte durchführen können und akzeptiert werden, kann man kritisch betrachten. Irgendwoher kam ja ein Hilferuf, aufgrund dessen wir überhaupt im Rathaus anwesend waren. Ich habe das Gefühl bekommen, man wollte uns damit sprichwörtlich "vor den Karren spannen".


    Die Bevölkerung Underbergens hat ihre geteilte Meinung. In meinen Augen ist es an den Verantwortlichen in Underbergen, dort durch demokratische Wahlen Klarheit zu schaffen. Wenn es die Verfassung ermöglicht, rege ich da sogar eine basisdemokratische Entscheidung zur Wahl des neuen Bürgermeisters ein. Bei der überschaubaren Einwohnerzahl Underbergens halte ich das für realistisch.


    Bei einer solchen Wahl könnten Delegierte aus Pottyland auch als eine Art "internationale Wahlbeobachter" fungieren, das könnte ich mir vorstellen.


    Ein zerstrittenes Volk zu vereinen ist eine schwierige Aufgabe. Ich nehme an, dass gerade die Bewegung für ein "Neues Soma", wie Sie sagen, erhebliche Probleme mit Pottyland und vor allem mir als Vermittler haben könnte - nicht zu Unrecht, zuvorderst handelt es sich hier ja um eine innenpolitische Angelegenheit Underbergens...

  • Ich glaube nicht, dass das "Neue Soma" Probleme mit Ihnen hätte. Einzelne Anhänger vielleicht. Aber mit denen werde ich fertig.

    Eine Direktwahl des Bürgermeisters würde ich begrüßen. Allerdings sehen das die Gesetze leider nicht vor.

  • Sollte das Volk Underbergens mehrheitlich für eine Umbenennung des Staates stimmen, wäre das aus meiner Sicht unproblematisch.


    Er trinkt sehr genüsslich einen weiteren Schluck Tee


    Aber es ist nicht an mir, über die Zukunft Underbergens zu bestimmen. Ich kann Ihnen nur sagen, was Pottyland als Reaktion auf verschiedene Szenarien erbringen würde und welche Möglichkeiten ich sehe.


    Was ich allerdings wirklich nicht verstehe: Isomir war ein großes Tier im alten Soma. Er wurde Oberörf und Bürgermeister und machte auf mich den Eindruck, besonnen und bedacht zu handeln. Wir sind durch das Andoraktal gelaufen und haben uns über Marienkäfer unterhalten.

    Und jetzt, bei dem ersten kleinsten Zeichen von Widerstand - Sie haben Recht, als "Putsch" kann man das wirklich nicht bezeichnen, zu einem Staatsstreich gehören noch ganz andere Zutaten - wirft er das Handtuch.. oder vielmehr die Kutte. Er zeigt sich als der, der er ist, vor einer kleinen Auswahl von Menschen statt medienwirksam auf dem Marktplatz. Und er legt seine Ämter nieder.

    Haben Sie den Ansatz einer Erklärung dafür?